An(ge)dacht

„Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der Herr, und

nicht auch ein Gott, der ferne ist? Jeremia 23,23 (Monatsspruch September)

Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der Herr, und nicht auch ein Gott, der ferne ist? Jeremia 23,23

Dies ist der einzige Monatsspruch in diesem Jahr, der uns eine Frage stellt. Eigentlich erwarten wir doch am Anfang eines neuen Monats einen biblischen Zuspruch, eine Ermunterung oder auch ein Trostwort. Warum stellt Gott hier durch Jeremia diese Frage?

Immer wieder musste Jeremia sich mit selbsternannten, falschen Prophe­ten auseinandersetzen. Sie widersprachen den Warnungen Jeremias mit Argumenten wie „die Bosheit eurer Taten wird gewendet“, „es ist alles nicht so schlimm, was ihr schon getan habt“. „Gott sieht nicht alles.“

Gottes Reaktion ist deshalb diese Frage: „Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?“

Es wird deutlich, Gott lässt sich nicht durch menschliche Vorstellung festlegen. ER ist der Unfassbare, der Unbegreifliche, wie er an anderer Stelle sagt: „Ich bin, der ich bin“. So kann er einmal sehr nahe sein, ein anderes Mal sehr weit entfernt.

Natürlich wünschen wir uns für unser Leben, dass Gott uns täglich begleitet, dass er uns schützt und führt. Sicher haben wir immer wieder solche Erfahrungen gemacht: Bewahrung in einer gefährlichen Situation im Straßenverkehr oder Trost in Trauersituation oder … Das sind große Hilfen und Ermutigungen für unseren Glauben.

Andererseits kann die Vorstellung, dass er mit einem Vergrößerungsglas neben uns hergeht, uns ständig kritisch im Blick hat, sehr einschränkend für uns Menschen sein. So einen mich beschränkenden Gott möchte ich nicht. ER lässt uns Freiheiten mit positiven und negativen Erfahrungen.

Aber auch das andere Extrem gefällt uns nicht. Es sieht manchmal so aus, als würde Gott uns nicht wahrnehmen, wir fühlen uns verlassen, ER hat kein Interesse an unserem Leben.

Hier fällt mir ein Beispiel ein. Beim Fotografieren kennen wir den Unter­schied zwischen einer Makroaufnahme – z. B. eine einzelne Blüte, bei der wir jedes Detail entdecken können – oder einer Weitwinkelaufnahme, z.B. der Ausblick von der Spitze eines Berges auf die ihn umgebende Landschaft. So ist auch Gott ein Gott der Nähe und der Ferne. Er hat aus der Weite den Überblick und kann deshalb aus großen Distanzen in das Weltgeschehen eingreifen. Dies ist also kein Zurückziehen in die Teilnahmslosigkeit, sondern gerade aus der Ferne erfasst ER das Ganze, was bei einem geringen Abstand nicht möglich ist. Er kennt unser Heute und Morgen. Es ist Trost und Hoffnung zugleich. Gott hat so viele Möglichkeiten. Nähe und Ferne!

Gott bestätigt im darauffolgenden Vers 24 genau dies: „Meint ihr, jemand könnte sich vor mir verstecken, dass ich ihn nicht mehr sehe? Ich bin es doch, der den Himmel und die Erde erfüllt, ich, der Herr!“

Vielleicht hilft uns auch, wieder einmal den Psalm 139 im Ganzen zu lesen. David hat hier sehr gut diese Unbeschreiblichkeit Gottes erkannt und preist gleichzeitig Seine liebevolle Nähe und Ferne.

A.K.